Mußte da einst ein Erzgebirgler gegen Abend an der verfallenen Geiersburg vorbei. Da es dunkelte, beschleunigte er seine Schritte. Er kannte den Weg gut und beachtete nicht, daß er heute enger und enger wurde, je näher er der Burg kam, bis er sich endlich im Gebüsch verlor. Verdutzt blieb der Mann stehen. Sollte er sich verirrt haben? Aufs Geratewohl schlug er den Weg in der Richtung seines Dorfes ein. Doch immer dichter und dichter wurde das Gebüsch. Die Nacht brach an, und ratlos spähte der Verirrte nach einem Auswege. Da gewahrte er in der Ferne einen Lichtschimmer. Vielleicht war es ein Försterhaus, vielleicht eine Waldhütte — sicher aber war es eine menschliche Behausung; dort hoffte er Rat zu bekommen. Durch dick und dünn eilte er dem Lichtscheine nach, bis er endlich müde und matt auf einem freien Waldplatze anlangte. Als er aufblickte, erstaunte er; sah er doch eine große Burg, die ihre finsteren Türme in den Nachthimmel stieß und aus deren hohen Bogenfenstern helles Licht strahlte. Langsam ging er zum mächtigen Eingangstore. Da trat ein kleines Männlein, höflich grüßend, auf ihn zu und fragte ihn, woher er noch so spät käme. Der Mann klagte sein Mißgeschick und bat um Auskunft nach dem rechten Wege. Das Männlein lud ihn vorerst zu einem Imbiss ein, ein Trunk werde sich auch finden; er solle nur mit in die Burg kommen. Ängstlich und schüchtern folgte er durch das Tor, und bald befand er sich, vom Männchen geführt, in einem prächtigen Saale. An festlich erleuchteter Tafel saßen viele Ritter in glanzvollen Rüstungen. Totenstille herrschte ringsum. Auf ein Zeichen nahm der Mann Platz, und nun mühte sich ein Ritter nach dem andern, dem Erschöpften die besten Bissen vorzulegen. Eifrig griff der Mann zu und bedankte sich jedesmal auf’s beste und höflichste. Und nach jedem Danke ging, so schien's wenigstens, eine eigentümliche Bewegung durch die stumme Versammlung. Die freundliche und liebevolle Aufmerksamkeit der Ritter blieb aber gleich — satt war der Mann von Speise und Trank —. Plötzlich ein Krachen, ein Prasseln — unter furchtbarem Lärm und Getöse stürzte die Burg in sich zusammen, und sprachlos stand er in den Trümmern. Da hockt wieder das kleine Männchen vor ihm, bitterlich weinend: "Ach hättest du doch statt des vielen Dankes ein einziges "Vergelts Gott" gesagt, so wären wir alle erlöst worden, und nun müssen wir wieder hundert lange Jahre warten!" Damit verschwand es. Angstvoll blickte sich der Mann um, einen Ausweg aus dem Getrümmer zu finden. Grau wurde es im Osten; da erkannte er im fahlen Morgenlichte, daß er sich mitten im verfallenen Gemäuer der Geierburg befand .
Quelle: Hübner Heimatkunde des Bezirkes Aussig 2. Teil, 1. Die Sagen
Vermuteter Sagen-Ort (ich war ja nicht dabei). Wer es besser weiß, kann mir bitte bitte einen Tipp geben.