Der Kobold im Pfarrhause zu Gröben

Gröben

Zwischen der alten Universitätsstadt Jena und dem Altenburger Waldstädtchen Roda liegt am Fuße der sogenannten Wölmse in einer weiten Ebene das Dörfchen Gröben. Leider aber ist das Pfarrhaus desselben lange Zeit der Wohnsitz eines Spukgeistes gewesen, der mehreren Inwohnern desselben ihr Leben verbitterte und einem sogar das Leben kostete.

Schon ums Jahr 1645 zeigten sich die ersten Spuren dieses bösen Geistes. In Gestalt eines grauen gespenstigen Mönches schlich er des Abends geräuschlos und in Nebelgestalt durch die Räume des Pfarrhauses, setzte sich auf die Holzbank vor dem großen Kachelofen in der Studirstube des Geistlichen und war von da nicht zu vertreiben. Der Pfarrer Johannes Rodigast wandte alle möglichen Exorcismen an um ihn hinwegzuscheuchen, allein kein Gebet oder frommer Spruch vermochte ihn wegzubringen. Endlich trat er muthig dem Mönche entgegen, legte seine Vocation auf den Tisch und fragte ihn: „wer bist Du? Woher kommst Du und was willst Du von mir? hier ist meine göttliche Berufung, kraft deren mir zugleich dies Haus zu eigen gegeben ist! Hast Du ein besseres Recht daran, so beweise es mir! Kannst Du es aber nicht, so weiche von hinnen!“ Darauf entwich nun zwar das Mönchsgespenst, allein der Pfarrer verfiel seit der Zeit in eine schwere Melancholie, er glaubte sich von Gott verlassen und dem Teufel verfallen und so war er denn von 1656 an bis zum J. 1680 von immerwährenden Visionen geplagt, sodaß er schließlich sich nicht anders zu helfen wußte, als daß er seinem Leben durch Erhängen selbst ein Ziel setzte. Seinen Nachfolgern Adam Dimler und Johann Heinrich Stemler ging es nicht viel besser, auch sie plagte der zurückgekehrte Kobold, und Ersterer hatte ihm sogar eine Kammer eingeräumt, um ihn nur aus seiner Studirstube los zu werden. Am ärgsten ward es aber unter dem auf jene folgenden Pfarrer Jeremias Heinisch, der, wie wir gesehen haben, um den vielen wunderlichen Gerüchten über dieses Teufelsgespenst ein Ziel zu setzen und die Wahrheit von der Lüge und Uebertreibung zu sondern, selbst einen Bericht über das, was ihm widerfahren ist, aufsetzte, den wir im Folgenden im Auszuge mittheilen wollen.

Der Pfarrer Heinisch glaubte zuerst gar nicht an Gespenster, allein am 17. Junius des J. 1718 begann es im Pfarrhofe mit Steinen zu werfen und zwar auf das Schindeldach des im vorigen Jahre daselbst unterbauten Viehstalles und fuhr mit solchem Werfen bis zum 21. Juni ununterbrochen fort. Die Steine waren nur klein, flogen in einzelnen Würfen von 1–6, und geschahen von 6, 7 und 9 Uhr in der Frühe oft mehrere Stunden lang. Nachdem eine Zeit lang nichts wieder verspürt ward, ging es am 29. Juli 1718 Nachmittags 3 Uhr von Neuem los und zwar wieder auf das Dach, öfter, früher und später als das erste Mal, auch mit weit größeren Steinen. Es konnte aber der Pfarrer, sowie einige zwanzig Personen, die sich deshalb dort zusammen gefunden hatten, noch so sehr Acht geben, es war nicht möglich einen Stein eher zu sehen, als bis er auf das Dach mit großer Macht und starkem Knall auftraf. Am 30. und 31. Juli wurde die Zahl der Würfe größer und als der Pfarrer an letzteren Tage, es war gerade der VII. Sonntag nach Trinitatis nach vollendetem Nachmittagsgottesdienste aus dem geöffneten Fenster der Vorderstube in den Hof heruntersah, sah er, wie vom Boden aus im Hofe ein Stein in die Höhe auf das Dach flog und hier aufschlug. Einige Zuschauer erzählten, sie hätten die Steine bald aus dem großen Baumgarten, bald aus dem Winkel bei der Baumgartenthüre bald wie aus der Mauer der Pfarrwohnung herauskommen sehen. Am 1. August ging das Werfen früher an und der Pfarrer sah zwischen 6 und 7 Uhr früh, wie vom Hofe aus Steine, die vorher nicht dagelegen hatten, auf das Stalldach flogen. Er sah auch, daß einige Steine aus dem Gange bei der Baumgartenthüre um die Scheunenecke herum und folglich in einem halben Zirkel auf die Seite hinausgeworfen wurden, was doch nach den Gesetzen des Wurfes überhaupt unmöglich war. Der Geistliche befragte nun in besagtem Gange das geheimnißvolle Wesen, wer da sei und werfe, erhielt jedoch keine Antwort, wohl aber kamen nun die Steine von Außen über die Hofmauer so geschwind und häufig aufs Stalldach geflogen, daß es förmlich Steine zu regnen schien, ein Stein ward nach dem Pastor selbst geworfen, traf aber nicht.

Am 2. August wurden früh zwei Steine bei der Treppe gefunden, dann aber wurde bald an der Haus- bald an der untern, bald an der obern Stubenthüre mit erstaunlichem Krachen geworfen. Wenn die Hausbewohner in der Unterstube beisammen waren, kamen Steine und Kalkstücken vom Ofen her, flogen mitten durch sie hin und schlugen mit lautem Schall meistens auf das Thürschloß im mittleren Felde und als der Pfarrer den Spruch I. B. Mos. C. 3. V. 15 „des Weibes Saamen soll der Schlange den Kopf zertreten“, auf dieses Feld schrieb, dann flogen die Kalkstücke ins obere oder untere Feld. Dies geschah meistens zur Essenszeit, Abends hörte es auf und früh ward dann bald außen bald innen geworfen. Wo die Steine her waren, war nicht zu ersehen, manchmal klebten graue Haare daran, einmal war auch einer mit Garn umwunden. Einmal, am 3. August, warf es dreimal zu gleicher Zeit, im Kuhstall, wo es die Viehmagd sah, im Keller, wo die Hausmagd war, und im Waschgewölbe, wo das Kindermädchen war. Weiterhin war es auch in der obern Vorderstube und im Saal, und ein großer Stein flog auch an die Schlafkammerthüre der Mägde, die deshalb schreiend herunterliefen. Am 4., während der Pfarrer in Jena war, um sich Raths zu erholen, warf es nicht blos Mittags auf das Stalldach, sondern auch in der untern Wohnstube die Fenster ein. Nach seiner Zurückkunft stellte der Pfarrer seine Leute außerhalb und innerhalb des Hauses auf und ging selbst bald zu einem, bald zu dem andern Haufen, sie sahen alle wohl Steine hinein und heraus fliegen, woher sie aber kamen und wer sie warf, sahen sie nicht. Dabei fielen die Steine, wenn Jemand vor den Fenstern stand, wie matt gleich zu Boden, wenn sie dasselbe durchflogen hatten, stand aber Niemand da, flogen sie bis mitten in den Hof, und ebenso war es umgekehrt, wenn sie von außen hineinflogen. Endlich flog in die verschlossene Oberstube ein eisernes Uhrgewicht, welches man schon längere Zeit vermißt hatte. Am Abend des 4. August, als der Pfarrer und die Seinigen knieend das Abendgebet verrichteten, fiel ihnen ein Stück Kalk von oben auf den Kopf. Am 5. August kam die Pfarrersfrau nieder, das genirte aber den Geist nicht, er warf vor wie nach, nur nach verrichteter Taufe bis zum 8. setzte er mit Werfen aus, am 9. warf er wieder eine Scheibe ein, setzte dann mit größerer oder geringerer Heftigkeit das Werfen wieder fort, namentlich warf er mit Steinen an die Schlafstubenthür des Ehepaars, wenn er wußte, daß es im Bett lag. Schlimm trieb er es den 20.–22. August, namentlich unten, wo er fast alle Fenster mit Eisenstücken zertrümmerte auch eine Scheibe über dem Abtritt auf dem obern Saale. Am 23. Aug. fing es nun aber auch an des Nachts zu rumoren und zu werfen, kratzte auch, als sich der Pfarrer zur Ruhe begeben hatte, wie mit scharfen Klauen an dem daselbst befindlichen Kleiderschranke. Am 24. August nahm es die Gewichte von der Uhr im untern Stock und warf damit oben nach der Saalthür oder nach der Thür der Stube der Frau Pastorin, setzte auch das Fenstereinwerfen fort.

Jetzt ging nun das Zerschlagen der Töpfe und Schüsseln an, es riß der Viehmagd beim Aufwaschen einen Topf unter den Händen weg, der aber nicht gleich wieder zurückgeworfen ward wie bisher. An diesem Tage ward auch im Waschgewölbe ein an der Hühnersteige festgebundenes und mit sogenanntem Quarkkäse angefülltes Säcklein heruntergerissen und obgleich die Thüre, durch welche man aus diesem Gewölbe ins Vorderhaus kommt, zugeriegelt war, so wurde doch gedachter Käse in dem Vorderhause hingeschüttet, das Säcklein umgedreht und in dem Käse wie mit Hundspfoten herumgescharrt. Nachts darauf ward wieder so lange in der Schlafkammer am Schranke gekratzt und so wüthend geworfen, daß der Pfarrer aufstand und sich in die Wochenstube seiner Frau retirirte, und dieses sahen nicht weniger als zehn fremde Personen und Hausgenossen mit an. Obgleich nun Niemand mehr in der Kammer war, so dauerte doch das Kratzen und Werfen ärger darin fort als zuvor, worüber die Sechswöchnerin und ihr Kind beide erkrankten. Am 25. August früh ging es an ein erstaunliches Töpfe- und Schüsselnzerbrechen. So warf es vor Aller Augen ein irdenes Handbecken im Vorderhause aufs Steinpflaster nieder, und weil solches nicht völlig in Stücken ging, nahm es das Kindermädchen und stürzte es wieder an seinen gewöhnlichen Ort hin mit den Worten „wir wollen doch zusehen, ob es solches noch einmal nehmen wird!“ und indem sie alle meinten, sie sähen das Handbecken noch an seinem Orte stürzen, ward es in tausend kleinen Stücken ihnen vor die Füße geworfen, ohngeachtet sie nichts davon sahen, bis es an der Erde lag. Neun Töpfe, welche in der obern Küche aufs Topfbret hingestellt waren, wurden im Unterhause vor ihren Augen zerschlagen, und doch sahen sie, die an der Treppe unten standen, weder daß oben die Küchenthüre geöffnet ward, noch daß oben Jemand an der Treppe stand oder dieselbe herabkam, sie hörten blos die Töpfe auf das Pflaster aufschlagen und zerbrechen. Während sie noch da standen, ward von dem Speiseschrank im Vorderhause Quarkkäse bis zur Hausthüre hinaus verzettelt und endlich auch der irdene Napf, worin dieser Käse in dem verriegelten Schranke aufbewahrt worden war, vor ihren Füßen niedergeworfen und zerschmissen, und doch sah Niemand den Speiseschrank aufgehen und überhaupt Napf und Käse nicht eher, als bis sie auf das Steinpflaster auftrafen. Auf den Rath der Aerzte schaffte der Geistliche nunmehr Frau und Kinder nebst einigem Hausgeräthe aus dem Hause, allein nun ward es auf einmal still. Am 26. August nach diesem Ausräumen ging das Werfen wieder an, namentlich in der Wochenstube, wo der Geist, so lange die Pfarrerin darin lag, nichts gethan hatte. Am 27. riß es die auf die Spundlöcher der Bierfässer geschlagenen Stückchen Leinwand herunter und warf damit bald an diesem, bald an jenem Ort des Hauses herum, dadurch schlug Luft zum Bier und es wurden vierthalb Eimer verdorben. In die im Keller aufbewahrte Milch schmiß es allerhand Unflath, weshalb Bier und Milch aus dem Hause entfernt wurden. Am 28. A. warf es an verschiedenen Orten im Hause mit größeren Steinen, fünf Hühnereier wurden in der untern Stube zerbrochen und einer jungen Henne der Kopf daselbst abgedreht. In Gegenwart der aufgestellten Wächter ging nun Tag und Nacht das Werfen wieder weiter fort und da das untere Vorderhaus durch die vielen hineingeworfenen Steine sehr verunreinigt worden war, ließ der Pfarrer dasselbe am 3. Septbr. auskehren; allein kaum hatten die Mägde damit angefangen, so tobte es greulich und warf wieder überall, wo ausgekehrt worden war, durch die Fenster Steine und Eisenstücke hinein, unter andern auch ein Stück eiserne Kette, und dies Alles mit unglaublicher Geschwindigkeit und schrecklichem Gepolter. Da nun die Mägde hierdurch an ihrer Arbeit gehindert und die eben gekehrten Stellen wieder verunreinigt wurden, lehnte sich der Pfarrer zum Fenster hinaus und bot dem Geiste Trotz. So lange er so liegen blieb, setzte das Werfen aus, ging er aber weg, kamen wieder Steine durchs Fenster. Als er nun die Treppe zum Oberhaus hinaufstieg, kam vor aller Augen ein Stein über seinen Kopf von oben herabgeflogen, traf ihn aber nicht, fiel auch nicht nach der geraden Linie im Vorderhause nieder, sondern brach mit furchtbarer Gewalt durch das Fenster des Unterhauses, machte also im Fliegen einen Bogen oder Winkel.

Nach beendigter Säuberung des Hauses stellte sich nun der Pfarrer mit einigen Hausgenossen vor die untere wohlverwahrte Stubenthüre um Acht zu haben, was passiren werde. Auf einmal hörten sie einen heftigen Knall darin. Da sie nun wußten, daß Niemand darin sei, auch Keiner die Thüre aufgemacht habe, erschracken sie sehr, der Pfarrer aber faßte Muth, öffnete die Thüre und lief nebst den andern mit der Frage: wer da? hinein, und siehe mitten in die Stube stürzte ein großer Rahmtopf, den der Geist von dem Topfbrete im untern Hause entführt hatte, derselbe war jedoch nicht in kleine Stücken zerbrochen, sondern blos ein wenig aufgeborsten.

Nun ließ der Pfarrer auch den Hof reinmachen, aber da ging ein so wüthendes Werfen nach dem Stalldach los, daß es förmlich Steine von demselben herabregnete. Offenbar wollte der Geist die unsaubern Orte nicht reinigen lassen.

Am 4. Septbr. warf es wieder, am 5. fand der Pfarrer Hühnereier in dem verschlossenen Keller liegen und ebenso fünf Steine in der Unterstube, trotzdem daß Alles verschlossen gewesen war. Der an der Sonne im Hofe aufgestauchte Flachs war überall hin zerstreut und doch hatte es keiner der auf dem Berge wohnenden Nachbarn gesehen. Die Nacht warf es wieder in der untern Wohnstube, trommelte an den Stallthüren und rauschte mit Papier an der Stubenthür. Am 6. Septbr. warf es den Mägdewetzstein durch die Fenster des untern Hauses und entführte ihn einige Zeit ganz. Am 7. Septbr. ging das Werfen durch die Fenster fort, es zerbrach auch eine Fensterscheibe der Speisekammer im obersten Stockwerk, wo der Geist sich bisher noch nicht bemerkbar gemacht hatte. Dort zerbrach es auch ein starkes geschliffenes Glas. Der Pfarrer ließ nun die Kammer ausräumen, als aber das Kindermädchen die übrigen Gläser und Sachen im Beisein einer Jungfer und eines Knaben aus derselben in einem Korbe herausholte und selbigen zudeckte, ward dennoch ein Gläschen wie auch der Deckel einer kleinen irdenen Butterbüchse aus dem zugedeckten Korbe ihr vor die Füße geworfen und zerbrochen.

Um die Mittagsstunde des 7. Septbr. will die Viehmagd das Rindvieh dem Hirten vortreiben; als sie nun in den Stall kömmt, der doch wohl zugemacht war, findet sie unter zwei Kühen zwischen deren Vorder- und Hinterfüßen zwei Wasserstunzen stehen, unter der dritten Kuh einen Steinkorb und unter der vierten ein Stück Bret liegen. Diese sämmtlichen Gegenstände waren aber, ohne daß es die daselbst handtierenden Mägde gemerkt hatten, theils aus dem Waschgewölbe, theils aus dem Hofe entführt worden. Nachmittags, als man im Ofen Feuer anmachte, wurden einige Stück Back- und Mauersteine, die im Ofen lagen, im Hause herumgeworfen; einer von diesen glühenden Backsteinen aber wurde mit Ungestüm durch die Fenster des vordern Unterhauses in den Hof geworfen, daß sich das Blei und die Windstangen bogen. Man mußte ihn mit Wasser löschen und ebenso das Feuer im Ofen ausmachen, aus Furcht, daß im Hause ein Brand entstehen möchte. Die eine Magd hatte im Waschgewölbe bei ihrer Verrichtung eine mit warmem Wasser angefüllte Schöpfgelte auf der Bank stehen, diese wurde ihr unter der Hand entführt, und als sie sich umsah, ward sie auf einmal im Vorderhause gegen die Fenster geworfen. Gleichzeitig ward auch der entführte Wetzstein an dem im Unterhause lehnenden Backtrog in zwei Stücke zerschmissen und als Abends die Wächter in die untere Wohnstube traten, warf es von oben herab einen großen Stein neben sie auf den Boden. Am 8. Septbr. Abends warf es noch einmal daselbst nach dem Wächter und von nun an ward nichts wieder gespürt.

Da nun der Pfarrer und die Hausgenossen und Wächter alle diese Vorkommnisse mit eigenen Augen gesehen haben, aller und jeder Winkel des Hauses genau auf Befehl der Obrigkeit untersucht ward, unzweifelhaft Niemand aus dem Gesinde bei dem Werfen betheiligt sein konnte, sonst auch einige Studenten aus Jena, die mit bloßem Degen in der Pfarre gewacht hatten, als sie den Geist verspotteten, selbst geworfen wurden, so kam man zu dem Resultat, daß weder Menschen noch Hexen oder Zauberer diesen Spuk angestiftet hätten, sondern ein wirklicher böser Kobold, der aber aufhörte, als seine Zeit um war.

Quelle: Grässe Sagenschatz des Königreichs Sachsen


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