Es war mitten im kältesten Winter, als zu Oberbrambach die Burschen und Mädels in der Spinnstube versammelt waren, nach der noch nicht ganz erstorbenen Sitte früherer Tage. Die Mädchen spannen, die Burschen spielten Karten, bis es neun Uhr schlug. Dann flogen Spinnräder und Karten bei Seite und man belustigte sich mit allerlei Spielen, Nachbarn schlagen, Gänsedieb, Koch und seine Speisen u. dgl. Da begann der Sohn des Richters die kecke Frage aufzuwerfen, wer wohl am meisten tragen könne? – Drei Gulden setze er zum Lohn, wenn einer zwei Scheffel Gerste trage. – Die Bursche schwiegen, ein Mägdlein aber rief: „Ich will zwei Scheffel zur Mühle tragen, sie mahlen, und dann das Mehl bringen, um mir den verheißenen Lohn zu holen.“ – Dem Sohn des Richters war dies ein sehr erwünschtes Anerbieten, denn er liebte das Mägdlein und wollte ihre Arbeitslust durch die Wette erproben. Ihr aber ging es mit ihm ebenso, sie liebte ihn von ganzem Herzen, und die schwere Last war ihr eine Seligkeit, da sie seine Liebe dadurch zu gewinnen hoffte. Als die Gerste gemahlen war, und sie die zwei Säcke auf die Schulter nahm, kraulte sich der alte Müller hinterm Ohr und murmelte vor sich hin: „Wer sich in Gefahr begiebt, kommt leicht darinnen um. Möge Dir Gott und Dein Glaube gnädig beistehen!“ – Aber die Jungfrau flog dahin, den Hügel hinan, wie wenn sie Schwingen hätte. Das Gehen im Schnee aber machte sie müde, und sie setzte sich eine Weile auf die Schränkstangen nieder, um auszuruhen. Bald schlossen sich ihre Augenlider, sie schlief ein, um nicht wieder zu erwachen. Am andern Morgen fand man sie – erdrosselt. Ihr Liebster zog, wie die Sage berichtet, in den Türkenkrieg. Auf der Stelle aber, wo das Mädchen den Tod fand, steht noch heutigen Tages ein steinernes Kreuz, da sie auch dort begraben sein soll.
Quelle: Grässe Sagenschatz des Königreichs Sachsen
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