Am oberen Talende der alten Bergstadt Graupen biegt bei der sog. "Bildeiche" ein alter Bergsteig ab, der bei der Einschichte "Dörfel" durch das "Bettelbüschel" führt. »Am Eingange dieses Wäldchens stand einst eine gewaltige Fichte, in der der Sage nach eine gütige Fee hauste, die auch manchmal, um die Gemüter der Vorübergehenden zu erforschen, in der Gestalt eines steinalten Weibes unter dem Baume saß und bettelte; deswegen hieß man früher und heißt man heute noch diesen Bergwald im Volksmunde das "Bettelbüschel". Nun wohnte in der Stadt Graupen ein reicher Bürger und Bergherr, der ein abscheulicher Geizhals war.
Jeden Morgen kam er mit seinem jungen Bergknappen, einem armen Waisenkinde, an der stolzen Fichte vorüber, um seine Schächte und Stollen zu besichtigen, ob sie ihm wieder neue Ausbeute gebracht hätten. Mitleidig, wie der junge Bursche war, teilte er täglich mit der vermeintlich armen Frau sein kärgliches Frühstück. Als das der geizige Bergherr merkte, schnitt er dem Jungen sein Brot kleiner und kleiner, und weil der Knabe doch noch teilte, gab er ihm zuletzt gar nichts mehr zum Morgenbrot. Oft mußte der Knappe weinen, weil er nun nichts mehr zu teilen hatte, und manchmal fanden die Bergleute, die hinter ihm gingen, die schönsten Perlen auf dem Wege liegen.
"So standen die Dinge, als einstmals der Bürger in das benachbarte Obergraupen zu einer Hochzeit geladen wurde. Er unterließ nicht, zu kommen, und weil es auf anderer Leute Unkosten ging, griff er wacker zu und tat Bescheid, und erst um Mitternacht machte er sich auf den Heimweg. Wie er in die Nähe der alten Fichte kam, war es ihm, als hätte er den Weg verfehlt; denn anstatt der Fichte glaubte er, einen herrlich erleuchteten Palast vor sich zu sehen, aus dem es ihm wie Kirchweihmusik entgegenschallte, und dabei vermeinte er, ein Rischeln und Rascheln wie von tanzenden Paaren zu vernehmen. "Holla", dachte der verknöcherte Geizhals, "die Fee gibt uns heute was zum Besten", und ging in den erleuchteten Palast. Mit Staunen sah er, wie eine Menge winziger Zwerge mit der Fee zu Tafel saß. Die Fee war auch gleich so gütig, den Bergherrn dazu einzuladen. Er ließ sich nicht lange nötigen, sondern gebrauchte weidlich seinen zahnlosen Mund und schob dabei von dem Schmause heimlich so viel in die Taschen seines Urväterrockes, daß sie wie Mehlsäcke von ihm wegstanden. Nach dem Mahle begab sich die Fee mit der Schar ihrer Zwerge in den Tanzsaal. Der Bergherr aber empfahl sich; denn er war schwer beladen und kein Freund vom Tanzen und Lustigsein. Er schlenderte also heimwärts, um das von der Feentafel Gestohlene in Sicherheit zu bringen. Als er daheim seine Taschen leerte, mußte er zu seinem Schrecken gewahren, daß sich sein Raub in Kieselsteine verwandelt hatte. Unwillig warf er die Steine seinem Bergjungen hin mit den Worten: "Da hast du die Steine und magst sie meinetwegen mit dem Bettelweibe teilen". Bestürzt ging der arme Junge damit in den Hof, um sie in eine Ecke zu werfen; aber da hörte er bei jedem Schritt ein Kling-Klang und sah, in seiner Lederschürze ein Flimmern und Schimmern, und wie er es recht befah, lag eine Menge nagelneuer funkelnder Goldstücke darin. Außer sich vor Freude, lief er gleich bei anbrechendem Tage zum Städtlein hinaus, der guten Fee zu danken, die, wie es sonnenklar war, ihm den Schatz hatte zukommen lassen. Das erste aber, was ihm in die Augen fiel, war wieder das steinalte Bettelweib, und der gutherzige Bursche konnte sich nicht enthalten, der vermeinten Armen die Hälfte des Schatzes zu schenken.
Da erschien ihm die Fee in ihrer wahren Gestalt und übergab ihm noch eine Wünschelrute, mit deren Hilfe er später viel reicher wurde, als sein Herr.
Er sagte wie so mancher andere Graupner seiner Vaterstadt Lebewohl und wanderte nach Sachsen aus, um der Begründer des Bergbaues in Altenberg zu werden. Mit dem geizigen Bergherrn aber ist es zurückgegangen; die Zwerge zeigten ihm keine Erzgänge mehr, und bald darauf ist er vor Neid gestorben.
Quelle: Klengel Sagenbuch des östlichen Erzgebirges
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