Wie Frau Bornemath äfft 2

Großharthau

2.

Am 14. Mai 1916, eines schönen Sonntagsnachmittags, gehen zwei Arnsdorfer Familien über den Tannenberg. Sie wollen quer durch die Masseney über den Sternplah nach Großharthau, um dann von da mit der Bahn heimzukehren. Sie schlagen den sogenannten Flügelweg ein. Kirchenstill ist's im Walde! Die Kinder laufen hie und da seitwärts in den Wald, um nach Mai pilzen Ausschau zu halten. Auch die Eltern tun das. Sie geben aber das Suchen bald wieder auf, da sie nichts finden können und gehen jeht auf einer schmalen Waldschneise weiter. Der folgen sie. Die Unterhaltung ist bald in vollem Fluß. Da kommt die Rede auch auf die Frau Bornemah, wie die sich so häufig als großer Hase sehen lasse. „Wenn wir das nur auch einmal sehen könnten!" meint der Knabe. „Na, da rufen wir die Bornemazen mal!" fällt dessen Schwester ein. Frau Gr. spricht aber gebieterisch: „Laßt doch den Unsinn!" Das war aber schon zu spät; denn das Mädchen ruft im selbigen Augenblicke mit lauter Stimme: „Bornemaßen, komm doch! Bornemazen, komm doch!"

Sin Aufschrei der Frauen und Kinder! Aus dem Dickicht kommt ein großer Hase, sest mit gewaltigen Sprüngen vor den Füßen der Spaziergänger quer über den Weg und verschwindet auf der anderen Seite wieder. Frau Gr. herrscht das vorwizige Mädchen an: „Das hast Du nun von Deinem versluchten Unsinn!" In großer Aufregung gehen sie weiter. Doch sonderbar! Auf einmal ist der Weg zu Ende. Umkehren wollen sie nicht wieder, und so friechen sie nun durchs Sebüsch, kreuz und quer, aufs Geradewohl, aber sie finden keinen Ausweg. Stundenlang irren sie im Walde umher. Bereits beginnt es zu dämmern. Die Kinder fangen an zu weinen, die Frauen schimpfen. Der Mann hat seine liebe Not, die Gesellschaft zu beruhigen. Endlich lichtet sich der Wald. Sie kommen auf einen Fahrweg, dem sie folgen; denn irgendwo muß er doch ausmünden. Mit Anbruch der Nacht stehen sie vor dem Bahnhof Großharthau. Ein Aufatmen aller! Bald sitzen sie im Einkehrhaus zur Erholung und stärken sich nach dem durchlebten Schrecken. Der nächste Zug bringt sie alle wohlbehalten nach Arnsdorf zurück, wenn auch viele Stunden später, als es ursprünglich geplant war. Und daran war Frau Bornemaz schuld.

Quelle: Bernh. Störzner Die Masseney in Sage und Geschichte (Teil 1)


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