Am Dohnaer Friedhof vorbei führt die Straße nach Heidenau. Auf der Höhe dieser Straße liegt eine schmucke Kolonie. Kurz davor versteckt sich im Straßengraben eine verwitterte Tür. Durch verzweigt Gerank lugt sie. Niemand achtet ihrer. Und doch soll hinter ihr ein weiter unterirdischer Gang begonnen haben.
Einst, als die stolze Burg noch ins Müglitztal drohte. Jetzt ist alles versunken und still. In der Walpurgisnacht war's einst lebendig dort. Ging ein müder Mann nach Hause. Just um die Stunde, da gute und böse Geister ihr Wesen treiben. Sorgenbeladen ging er.
Krank war sein Weib und brothungrig die Kinder. Und sein ehrlich Tagwerk bracht' nur kargen Lohn. Drum mußt die Nacht er oft zum Tage machen und geheime Botengänge verrichten für die Herr'n der Stadt. Auch heute wieder. Denkt nicht an Geisterstund und Hexenzauber. Kommt vom Friedhof her ein blau Flämmchen. Irrt auf und nieder im Dunkel. Wird groß, immer größer. Zum Erschrecken ist das leuchtende Flackern des Blaufeuerscheins. Eine Stimme geistert daraus, dem arg Erschreckten ins Ohr: «Komm mit! Komm mit!» Zag folgt der Aufgeforderte. Mit tastenden Schritten und verkrampften Fingern. «Komm her! Komm her!» Kleiner wird das Gespensterleuchten. Ins Gezweig huscht's. Nach geht der Mann - wie im Fiebertaumel. «Mach auf! Mach auf!» Mit eisernen Griffen wuchtet er die Tür auf. Riesenkräfte hat er plötzlich. Unheimliche Finsternis füllt den Gang. «Komm mit! Komm mit!» Ein tritt er ins Dunkel. Geheimnisvoll rauscht's. Eine alte Schaufel lehnt an der feuchten Wand. «Nimm und grab! Nimm und grab!» Und drohend plötzlich wird die Stimme: «Dreh dich nit um! Dreh dich nit um! Was immer auch kumm!» Der Mann erfaßt die Schaufel. «Eile dich, eile! Eile dich, eile! Hast Zeit nur kurz' Weile!» Und der Mann gräbt und gräbt. Seine Kräfte wachsen von Minute zu Minute. Bald gähnt ein tiefes Loch. Weich ist das Erdreich. Und unter den Schichten gleißt's und glänzt's. Es glitzert und funkelt. Gierig weiten sich des Grabenden Augen. «Schaff, schaff, eile, eile» ermuntert das Flämmchen. Da zerreißt wahnsinniger Wehschrei die Stille. Als ob einer grausam gemartert würde. Des Arbeitenden Herzschlag stockt. «Schaff, schaff, eile, eilel ertönt, leiser werdend, ängstlich das Flammenstimmchen. Immer verlockender funkelt's und schimmert's aus der Tiefe. Wieder die erbärmlich wimmernde Stimme. Vor dem Eingang jetzt, aber im Chor mit heulenden Wehklagen. Eiskalt überläuft es den im Gang- Jetzt erhebt sich tobender Sturm. In ihm gellen die Schreie. Es knattert und heult in der Luft. Es donnert und blitzt. Es kracht, als wenn Balken stürzen. Ein Knistern, Knacken, Reißen, Zischen - als ob tausend Feuerzungen an den Balken lecken. Im Schweiße schafft der Zitternde weiter. Da ist es ihm, als ob eiserne Griffe sein Gesicht wenden wollen. Unwiderstehlich will es ihn herumziehen. «Schaff, schaff, eile eile» klagt das fast erlöschende Flämmchen. Da - loht es plötzlich um ihn. Der Gang steht in hellflackernder Feuersglut. Von draußen strömt sie herein.
Alles ist aufgepeitscht - ein Hexensabbat. Jetzt hämmert die Sturmglocke durch das Toben. Hilfeschreie von tausend Wahnsinnigen brodeln in dem wallenden Talkessel des Städtchens. Da ist die letzte Erdschicht entfernt. Ein großer Kessel blitzender Steine, Gold- und Silberstücke steht in geheimnisvollem Licht. Gierig langt der Gräber darnach. Auf brandet mit unerhörter Wucht das fürchterliche Toben und Flammen. So höllisch schrecklich, daß er den Schatz vergißt und im Taumel den Kopf wendet. Nur eine Sekunde. Des Flämmchens Stimme zerbricht im Dunkel wie edles Glas. Polternd und berstend versinkt der Schatz. Ein Donnerschlag läßt die Erde erbeben. Der Mann wird auf die Straße geschleudert. Still ist's draußen. Die Mondsichel lächelt über das feierliche Tal. Eben verkündet die Uhr die erste Stunde.
Quelle: Meiche Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete
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