Der steinerne Reiter auf der Kirmes

Stolpen

Da ist einmal in der Umgegend von Stollen ein alter Soldat gewesen, der hat bestimmt, daß auf sein Grab ein Reiterdenkmal kommen soll. Wie er nun tot war, haben ihm seine Kinder einen Reiter aus Stein aufs Grab setzen lassen. Durch den Friedhof ging öfter ein Bauer, der daneben seine Felder hatte. Der streckte sich zum Frühstück und Vesper in den Schatten der Kirchhofsmauer und setzte seinen Hut dem steinernen Reiter auf den Kopf. Wie nun die Arbeiten auf dem Felde zu Ende sind, und der Bauer zum letzten Male draußen ist, nimmt er dem steinernen Reiter den Hut ab, den er ihm wieder zum Halten gegeben hat, und sagt so nebenhin: „Na, Hans, da gib gib mir nur meinen Hut wieder und nimm mir's nicht übel, daß du ihn hast die lange Zeit immer halten müssen. Kannst dafür zur Kirmst kommen und dich recht Vollessen.“ Er hat sich aber gar nichts weiter dabei gedacht und hat das dumme Gerede gleich wieder vergessen, und auch der Kleinknecht hat nur darüber gelacht. Wie nun Kirmes ist, sitzt der Bauer mit seinen Gästen um den langen Tisch, und sie lachen und scherzen und lassen's sich alle gut schmecken. Der Bauer löffelt in seiner Eiersuppe und spricht dabei mit seinem Nachbar. Wie er wieder einen Löffel nehmen will, ist der Teller leer. Der Bauer denkt: „Da hat die Frau gedacht, ich mag keine Suppe mehr, weil ich rede und hat den Teller weggenommen.“ Da langt er sich ein schönes Stück Braten zu und nimmt sich auch Kartoffeln und beginnt zu essen. Neben ihm sitzt seine Frau, und er wundert sich schon, daß die ihn immer zur Seite stößt, als wenn sie nicht genug Platz hätte. Zu seinem Erstaunen ist unterdes der Teller schon wieder leer. Er läßt sich noch nichts merken, weil er denkt, da macht sich einer einen Scherz. Darauf nimmt er Karpfen und Butter und fängt an, darin herumzustochern. Da drängelt die Frau schon wieder, und wie er sie groß anfährt, da antwortet sie ihm: „Nicht ich, du drängelst und schubst mich, daß ich mir fast die Soße auf's Kleid schütte!“ Da merkte der Bauer, daß es kein Spaß ist, sondern daß hier etwas nicht geheuer ist, und da sieht er auch, wie die Kompottschüssel neben ihm auf einmal leer wird. Da springt er auf und rennt hinaus. Drinnen aber werden alle Schüsseln, Teller und Gläser leer, und die Gäste schütteln sich vor Entsetzen. Wie sie den zitternden Hausherrn fragen, fällt dem ein, daß er vor ein paar Tagen den steinernen Reiter auf dem Friedhof zur Kirmes eingeladne hat, und da geht ihnen allen ein Licht auf.

Die alte Großmutter aber weiß Rat. Sie legt auf den Tisch ein Brot und bindet einen rostigen Schlüssel darüber. Wie sie das gemacht hat, ist der Spuk verschwunden gewesen und die Kirmesgäste konnten jetzt zum Essen kommen.

Quelle: Meiche Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete


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