Was es für ein Bewandtnis mit dem „Hühnel“ hat, weiß wohl jeder. Das „Hühnel“ ist ein kleines, kohlrabenschwarzes Huhn , das denen, die es bei sich aufnehmen und pflegen, großen Reichtum bringt. Nur eine Bedingung ist dabei! Wer das „Hühnel“ hat, der ist dem Teufel verfallen, dessen Seele hat keinen Teil am Himmelreich. Aber trotzdem gibt es immer noch Leute, die das „Hühnel“ haben.
In einem Dorfe bei uns hat sich folgendes zugetragen: Da wohnte ein Bauer, der hatte schon lange gemerkt, daß es mit ihm rückwärts ging. Er konnte anfangen, was er wollte, es schlug ihm zum Unheil aus. Die Kühe gaben keine Milch, das Vieh war gering, die Ernte taugte nichts und sein kleines Kind wollte und wollte nicht gesund werden und nicht wachsen. Schlag Mitternacht ging es am schlimmsten zu. Da verfiel das Kind in merkwürdige Zustände. Es zitterte und schrie, daß es einen Stein erbarmen konnte. Wie ihm nun keiner helfen konnte und alle Arznei nichts besserte, ging der Vater zu zwei frommen Männern in der Stadt und bat sie, doch einmal eine Nacht in seinem Hause zuzubringen, denn es ginge nicht mit Rechten bei ihm zu. Einer seiner Nachbarn habe sicher das „Hühnel“, das dem Nachbarn helfe und ihm Schaden zufüge, wie das so die Art des Bösen ist.
Die beiden gingen auch hin und verbrachten eine Nacht dort. Sie fanden auch, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei, gingen zum Nachbarn und stellten der Frau verfängliche Fragen. Die fiel auch drauf herein und verriet alles und fragte, ob sie nicht das Hühnel haben wollten. Da wußten die beiden, daß es wirklich an dem wäre; aber abnehmen wollten sie ihr das „Hühnel“ auch nicht, wie es denn überhaupt nicht leicht ist, das „Hühnel“ wegzubringen.
Der geplagte Nachbar aber betete alle Nächte mit frommen Leuten bestimmte Gebete, so daß es bald mit ihm besser wurde. Wahrscheinlich hat das „Hühnel“, das ja das liebe Gotteswort nicht hören kann, sich einen anderen gesucht, dem es Schaden zufügen kann, um seiner eigenen Herrschaft zu nutzen.
In einem anderen Dorfe war die Sache so: Einmal kam in der Nacht ein fürchterliches Gewitter auf. Es ist bekannt, daß in diesem Dorfe die Gewitter ganz besonders heftig auftreten; aber doch zündet der Blitz nicht. In einem Bauernhause waren die Leute aufgestanden; denn wenn Gewitter ist, geht man auf dem Dorfe nicht schlafen. Als sich gegen Mitternacht das Wetter verzog, schloß die Frau die Hintertür auf, um dem abziehenden Unwetter nachzusehen. es witterte noch in der Ferne und Blitze zuckten. Wie der Schein der Lampe hinausfällt, sieht sie ein kleines schwarzes Hühnel unter dem Holunderstrauch sitzen. Es ist vom Regen ganz naß. Der Mann sagt: „Wer weiß, wem das arme Tier gehört; wir wollen es hereinnehmen, damit es sich in der Küche trocknet, morgen wird es sich schon wiederfinden.“ Weil die Frau auch ein gutes Herz hat, macht sie ihm gleich unterm Herd einw armes Nestlein, gibt ihm gelben Weizen zu fressen, den eshastig aufpickt und mit goldenen Augen dabei blinzelt. Dann gehen die Leute schlafen. Am nächsten Morgen hat sich das Hühnel ganz hinter das Herdloch verkrochen; wie die Frau aber das Nest nachsieht, ob es vielleicht ein Ei gelegt hat, liegen lauter blanke Goldstücke darin. Da schreit sie gleich und ruft den Mann, und der sagt schnell: „Frau, laß das Hühnel laufen, wir wollen es nicht behalten; es mag zu seinen Leuten zurück gehen!“ Da wußte die Frau, was der Mann meinte, und sie setzen das Hühnel wieder aufs Nest. Die Goldstücke ließen sie unangetastet, und das Nest stellten sie wieder unter den Holunder. Wie sie wieder nachsahen, war das Hühnel weg und das Nest und die Goldstücke auch. Da waren sie froh, daß sie es nicht behalten hatten; bloß die Frau dachte manchmal an die Goldstücke.
Quelle: Meiche Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete
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