Der Fürstenweg und das Oederaner Erntefest

Görbersdorf

Der Fürstenweg und das Oederaner Erntefest.

Wenn der Kurfürst August den Schloßbau der Augustusburg zum öfteren besichtigte und von Dresden aus dorthin nur über Oederan gelangen konnte, so wurde ihm oft die Reise durch die angeschwollene Flöha verleidet.

Deshalb ließ er von Freiberg aus durch die damals dichten Waldungen von Oberreichenbach und Görbersdorf einen neuen Weg aushauen, der seit dieser Zeit noch heute im Volksmunde der „Fürstenweg" heißt. Er führt von Ober-Görbersdorf hinter dem „Tannicht“ nach Augustusburg. Auf den bekanntlich maßgebenden Meßtischblättern führt dieser Weg heute noch hinter dem Einnehmerhause an der Gahlenzer Straße hinab nach Hammerleubsdorf und von dort hinauf nach Augustusburg.

Diesen Weg benußten Vater August und Mutter Anna des öfteren, während das Gefolge nicht selten den Weg über Oederan einschlug. Bei dieser Gelegenheit mag das Gefolge oft genug in Oederan übernachtet haben, um dann von hier aus das letzte Stück des Weges zurückzulegen.

Unsere Stadt hatte davon gewiß keinen Nachteil, denn die Rechnungen über den Aufwand des Gefolges wurden prompt bezahlt. Auch erhielt unsere Stadt nach Beendigung der Jagdzeit noch überdies einige Stücke Wild. Sogar die Geistlichkeit wurde damit beschenkt, denn die Lieferscheine über solches "Wild-Geschenk" sollen jetzt noch in Augustusburg vorhanden sein.

Einmal haben sich nun, wie berichtet wird, im Gefolge des Kurfürsten zwei Kuppelknechte, zwei lose Vögel, befunden, denen die Jagdhunde anvertraut waren. Ihr munterer Witz und ihre freigebige Hand mögen ihnen bei ihren Wirtsleuten, bei denen sie in Quartier lagen, einen guten Stand und eine liebevolle Aufnahme bereitet haben. In punkto "eheliche Treue" aber nahmen sie es nicht immer so genau, wie es das Gesetz vorschrieb. Der betrogene Ehemann sann daher auf Rache.

Am 6. September 1573 übernachtete das Gefolge und jene beiden Schnapphähne wieder einmal in Oederan, wo eben das Erntefest lärmend und mit großen Festlichkeiten verbunden gefeiert wurde. Das ganze Gefolge nahm daran lebhaften Anteil. Die Herbstnacht war lau. Das veranlaßte den Hundemeister und seine Knechte, diesmal die Kuppel von mehr als fünfzig Hunden auf dem Altmarkte gleich an die Jagdwagen anzubinden, statt sie, wie es sonst geschah, in ihre Ställe zu führen. Welch Entsetzen aber ergreift am frühen Morgen die noch berauschten Jagdgenossen und Kuppelknechte, als sie merken, daß ihre Hunde sämtlich verschwunden sind. Ihr Entsetzen war so groß, daß sie in ihrer Aufregung und in ihrer Furcht vor dem gerechten Zorn ihres Herrn und Kurfürsten, statt nach Augustusburg zu gehen und den Vorfall ihrem Herrn zu melden, eiligst zurück nach Dresden liefen, wo einer von ihnen, immer noch vor Angst und Aufregung über den Verlust der teuren Tiere, in die Elbe sprang und den Tod fand.

Und was war mit den Hunden geschehen? Jener beleidigte Hausvater und Ehemann hatte mit Hilfe einiger anderen in der Nacht die Hunde losgebunden und entspringen lassen. Doch so schlimm sollte der Ausgang dieser Geschichte nicht werden. Denn wie mögen Vater August und Mutter Anna am selben Morgen in Augustusburg gestaunt und auch gelacht haben, als ihre sämtlichen Hunde im Schloßhofe durch lautes Bellen ihre Ankunft verkündeten! Diensteifrig und ihrem Instinkte folgend waren sie der wohlbekannten Fährte gefolgt und ihrem alten Sammelplatze auf der Burg zugelaufen.

Wie es übrigens dem losen und ungetreuen Gefolge durch den Kurfürsten ergangen ist, sagt keine Chronik, ebensowenig, ob Vater August den Zusammenhang der ganzen Sache jemals erfahren hat.

Quelle: Richard Rentsch Geschichte der Stadt Oederan


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