Himmlisches Wunderzeichen in Wiesenthal

Oberwiesenthal

Anno 1543 den 4. Juni hat man in Wiesenthal des Abends um 7 Uhr am hellen Himmel nachverzeichnete Wunder gesehen. Erstlich einen langen Mann schwärzlich mit einem schwarzen und breiten Bart, welcher den Kopf oft schnell hin und wider gewandt, daß man ein zorniges Gemüt hat merken können. Dem ward ein Kranz gegeben, und da er ihn empfangen, ist er vergangen. Darnach ist auf einem hohen Fels ein anderer langer Mann gestanden, welcher einen langen, spitzen Schnabel und vom Haupt an durch den Rücken die Länge lange Federn gehabt, gleich eines Straußes, ist aber auch bald verschwunden. Alsdann sind auf einem ebenen Felde zwei Städte gesehen worden, eine große, mit steinernen und hohen Gebäuden herrlich gezieret, und eine kleinere, die doch je länger je deutlicher ist gesehen worden. Desgleichen ein Mann, der auf einem Pferd gesessen und in der rechten Hand ein Fähnlein geführet, in der linken aber ein jung Kind gehabt, welcher auch bald verschwunden. Darnach ist auf einem hohen Berge ein großer Mann gesehen worden, der einem kleinern mit einem Schwerte das Haupt abgehauen. Es ist auch einer zwischen zweien Felsen gesehen worden, welcher auf die Knie gefallen und die Hände aufgehoben über sich zum Himmel, als bete er. Nach ihm ist ein anderer langer Mann gesehen worden in einem langen Kleide, der unter den Armen ein junges Lämmlein und auf der Schulter ein groß Schaf getragen, dem ein stinkender Bock mit langen Hörnern gefolget. Weiter sind gefolget zwei Jungfrauen, eine hat die Arme in die Seiten gestützt und sich fröhlich erzeiget, die andere hat gegeiget. Nach diesen ist ein groß Kameel erschienen, auf welchem ein Mann aufgericht gestanden, der auf dem Rücken mit langen Federn geschmückt gewesen, dem ist ein Löwe mit aufgesperrtem Rachen entgegengegangen, hat mit den vordern Klauen das Kameel angefallen, darauf ist das Kameel alsobald zusamt dem Mann verblichen. Der Löwe hat sich den Städten genahet, welchem auf dem Fuße gefolget die zwei Jungfrauen und der Mann, der das Schäflein getragen mit dem zottigen Bock, so hernach gezottet. Letztlich sind einige andere Löwen gesehen worden, die nach der Stadt wärts gegangen, und viel groß Geschütz, welches auf die Stadt gerichtet gewesen, als wollte man jetzt abschießen, und sind die Städte bei anderthalb Stunden gesehen worden.
So viel hat in einer handschriftlichen Chronik Michael Pabst verzeichnet, der sonst ein guter Astronomus gewesen und alle Begebenheiten und Ungeheuer am Himmel fleißig aufgezeichnet.

Quelle: Köhler Sagenbuch des Erzgebirges


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