Das 'Hänsel' in der Umgegend von Stolpen

Stolpen

Bauersleute haben in der Sommerzeit viel auf dem Felde zu tun, und da es wenig Dienstleute gibt, muß meist die Frau mit hinaus aufs Feld und muß helfen. Ehe es dann Mittag läutet, läuft die Frau nach Hause und kocht fix ein bissel Mittagessen. Damit es schnell geht, gibt es meist etwas, was nicht solange kochen muß, Kartoffeln und ein tüchtiges Stück Fleisch oder Quark oder sonst etwas. Aber bei einem Bauern gab es auch dann, wenn die Frau gar keine Zeit zum Kochen hatte, immer etwas Gutes. Sie blieb bis kurz vor dem Läuten auf dem Felde, und wenn der Bauer sagte: „Geh, Frau, mach, daß du nach Hause kommst, damit wir was Richtiges in den Leib kriegen!“, da sagte sie bloß: „Ich krieg's schon fertig:“ Und richtig, manchmal sahen sie die Frau von weitem noch laufen. Wenn sie aber sich an den Tisch setzten, da gab es Sauerkraut und weiße Klöße und Schweinsknochen. Zuerst dachte sich keiner was dabei; aber wie die Frau immer so spät hineinging und man keinen Rauch aus der Esse kommen sah und kein Feuer im Ofen und doch war ein feines Essen auf dem Tisch, da machte sich der Großknecht Gedanken, und er sprach es auch laut aus am Gesindetisch, daß das doch nicht mit rechten Dingen zugehen könnte; die Frau müsse gerade hexen können! Da war nun ein Knecht auf dem Gute, der wollte der Sache auf den Grund gehen. Als wieder einmal die Frau so spät nach Hause ging, schlich er hinterher, und wie die Frau in der Küche herumrumorte und Schüsseln stellt und den Tisch deckt, guckt er durch den Türspalt. Da sieht er, wie die Frau eine große Schüssel auf den alten Herd stellt und wie sie einen Strick, der über dem Herd hängt, über die Schüssel zieht und dazu sagt: „Gäke , Hänsel, gäke, Sauerkraut und Klöße, Schweinsknochen auch dazu, bist ein liebes Hänsel du, gäke, Hänsel, gäke!“ Da zog sie fest am Strick, und da kam Sauerkraut in die eine Schüssel und Klöße in die andere und Schweinsknochen in die dritte. Dann ließ sie den Strick los und machte vor Freude einen Knix und lief schnell, um das Essen auf den Tisch zu stellen. Der Knecht strengte zwar seine Augen an, er konnte aber das Hänsel nicht sehen. Wie dei anderen hereinkamen, stand schon das schönste Essen auf dem Tisch, und es dampfte noch. Da machten sie sich hungrig drüber her; nur der Knecht, der alles gesehen hatte, mochte keinen Bissen essen. Er schnürte bald sein Bündel, und der Bauer mochte ihm noch so gute Worte geben, er blieb nicht. Später hat er es dann erzählt, warum er vom Hofe weggegangen ist.

Quelle: Meiche Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete


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Vermuteter Sagen-Ort (ich war ja nicht dabei). Wer es besser weiß, kann mir bitte bitte einen Tipp geben.